Sehr geehrter Herr Supino
Wenn ein reicher Konzern wie Tamedia Staatsgeld und Angestelltenopfer verlangt, bevor Corona in der Schweiz voll losgebrochen ist, kann das nicht ohne Reaktion bleiben.
Kein Streit jetzt – aber wir fordern Tamedia auf, staats- und demokratische Verantwortung zu zeigen und anderen Unternehmen ein Zeichen zu setzen, wie die Krise solidarisch bewältigt werden kann.
Der schweizweit mächtigste und finanzkräftigste private Medienkonzern Tamedia, der im Informationsbereich u.a. mit Tages-Anzeiger, Basler-Zeitung, Berner Zeitung, der Bund, 20 Minuten, 20 minutes, SonntagsZeitung, 24Heures, Le Matin Dimanche in vielen Regionen eine monopolartige Stellung hält und aus Verkaufsplattformen: u.a. Ricardo, tutti.ch, homegate hohe Gewinne zieht, will wegen der Corona-Krise auf 30 Millionen geschätzte Mindereinnahmen mit Sparschnitten beim Personal und Geld aus Staatskassen ausgleichen. Der Tamedia-Konzern, (heute TX Group), unter Leitung von VR-Präsident Pietro Supino, verordnet Kurzarbeit. Arbeitspensen werden generell um 10 Prozent gekürzt, in verschiedenen Bereichen um mehr. In einer Zeit, in der Redaktionen physisch und psychologisch am Anschlag funktionieren – die meisten Journalistinnen und Journalisten arbeiten im Home Office, viele mit Kindern im Haus – wird journalistische Kapazität weggespart. Ein Medienkonzern mit staatspolitischer Verantwortung und vollen Kassen müsste jetzt Personal aufstocken, nicht reduzieren. Der Abbau erfolgt in einer extremen Krise, in der die Bevölkerung ganz besonders auf vertrauenswürdige, unabhängige Informationen und Einschätzungen angewiesen ist. Andere Medien heben in dieser Situation die Bezahlpflicht auf und legen ihre Information offen.
Der Familienpool kontrolliert bei Tamedia rund 70 Prozent der Aktien-Stimmen. Die Mehrheitsaktionäre haben, wie Jahresrechnungen zeigen, über Jahrzehnte von Gewinnen in Höhe von mehreren hundert Millionen profitiert. Geschäftsleitungsmitglieder kassierten hohe Boni.
Während ein grosser Teil der Bevölkerung befürchtet, Leben, Gesundheit oder den Job zu verlieren, und sich Bürgerinnen und Bürger im Alltag mit Solidarnetzen unterstützen, konzentrieren sich die Eigentümer und die Unternehmensleitung des Tamedia-Konzerns auf die Sicherung ihrer finanziellen Eigeninteressen. Für die notwendige Suche nach einer sozial tragfähigen Aufteilung der voraussehbar enormen Lasten aus der wohl schwersten Krise des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg, setzt der Tamedia-Konzern mit seinem schnellen Griff in die Staatskasse ein fatales Zeichen.
Wir erwarten von den Eigentümern von Tamedia staatspolitische Verantwortung und Bereitschaft zur solidarischen Bewältigung der Krise.
Erstunterzeichnende:
Richard Aschinger, Journalist
Reto Auer, Prof. Dr. med, Bern
Roman Berger, Journalist
Esther Bertschi, Lehrerin
Urs Buess, Journalist
Christian Campiche, Journalist
Mario Carera, ehem. Berater Alt-BR Moritz Leuenberger
Ruth Dreifuss, Genf
Anita Fetz, Kleinunternehmerin, ehem. Ständerätin BS
Andrea Hämmerle, ehem. Nationalrat GR
Urs Hänsenberger, Bern
Franz Hohler, Schriftsteller
Lisa Hürlimann, Bibliothekarin
Claude Janiak, ehem. Ständerat BL
Josef Lang, Historiker, ehem. Nationalrat ZG
Margret Studer, Journalistin
Peter Studer, ehem. Chefredaktor Tages-Anzeiger, Fernsehen DRS, Präsident des Presserats
Klaus Merz, Schriftsteller
Hans-Ulrich Probst, Literaturredaktor
Ruth Schweikert, Schriftstellerin
Andrea Weik, Bern
Monika Zech, Journalistin